CIO-Alltag

So kann man doch nicht arbeiten

Der Alltag eines CIOs ist nicht einfach. Ständig meinen selbsternannte Hobby-Informatiker aus den Fachabteilungen, alles besser zu wissen. Der CIO eines Groß-Klinikums berichtet über die täglichen Sorgen im Geschäft mit der IT.

8.30 Uhr: Arbeitsbeginn.
Auf dem Weg zu meinem Arbeitsplatz hält mich eine Führungskraft eines internen Kunden auf. Er lobt einen meiner Mitarbeiter explizit, weil dieser als einziger Vertreter aller internen Dienstleister pünktlich und verlässlich sei. Ich freue mich und verspreche, es dem Mitarbeiter zu sagen.

Nun versuche ich, schnell wegzukommen, bevor die erwartete Wunschliste der Führungskraft auf mich herabprasselt. Doch ich schaffe es nicht. Man bräuchte in der Abteilung dringend 19-Zoll-TFT-Bildschirme, die ja neuer Beschaffungsstandard seien. Sie müssten schwarz sein, weil sie dann besser zum Mobiliar passen würden als jene, die gerade beschafft werden. Die alten 17-Zoll-Röhrenmonitore seien zum Wegwerfen zu schade, und das könne man sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht erlauben. Die andere Abteilung könne mit denen noch Jahre auskommen.

Stammelnd, dass man dies noch überprüfen müsse, fliehe ich vor meinem internen Kunden. Kaum im Büro angekommen, klingelt das Telefon. Ein erboster Oberarzt sprudelt einen Beschwerde-Wortschwall heraus: “Wie kann es sein, dass in einem Haus dieser Größenordnung vom Spam-Filter eindeutig als Spam erkennbare Mails in mein Postfach gelangen können?”

Ärger mit dem Spam-Filter

Erleichtert, das Gespräch irgendwann beendet zu haben, sehe ich mir den Mail-Eingangspostkorb an. Ins Auge fällt die als “dringlich” markierte Mail eines Institutsleiters. Der neue Spam-Filter habe, obwohl das klar erkennbar sei, eine Mail in den Ordner Spam-Verdacht abgelegt. Man müsse alle Mails einzeln im Spam-Verdacht überprüfen, um nicht aus Versehen relevante Mails zu löschen. Wie könne man in der DV so leichtfertig mit dem Kommunikationsgut umgehen? Man wolle dazu schnellstens eine Stellungnahme, wie und wann das Problem gelöst sei. Eine Kopie der Mail ging auch an den stellvertretenden Vorstand, damit dieser der DV Beine machen möge.

Die zweite Mail eines Mitarbeiters entpuppt sich als äußerst fragwürdig: Auf einer Messe hat ein Softwarelieferant ihm gesteckt, dass die Probleme im Klinikum ja hausgemacht seien. Es liege am fehlenden Willen der DV, zielgerichtet zu investieren. Mit dem Hintergrund dieser Informationen enthält die Mail mit Kopie an “Gott und die Welt” den Hinweis, dass die DV doch nun endlich aktiver werden müsse.

Dunkel erinnere ich mich, dass ich mir ja von der Firma eine Zusage holen wollte, dass diese Investition auch zum Erfolg führen werde. Darauf hatte allerdings der Geschäftsführer des Lieferanten geantwortet, dass er für diese besondere Installation nun doch keine signifikante Verbesserung des Antwortzeitverhaltens versprechen könne. Eine Kopie dieser Auskunft hatte damals auch der Schreiber der Beschwerde-Mail erhalten. An fehlendes Verständnis, Ignoranz, Vergesslichkeit oder an Bosheit und Dummheit bei ihm mag ich nicht denken. Ich stelle mir die Frage, ob es nicht vielleicht an IT-Grundkenntnissen fehlt.

Kommunikation ist alles

Noch während des Lesens der Mails betritt ein Mitarbeiter das Büro und beginnt einen ellenlangen Klagemonolog über ein Problem, das ihn behindere, seine Aufgabe effektiv zu erfüllen. Er habe ein Ticket aus dem Servicedesk erhalten, in dem die Identifikationsdaten der Örtlichkeit eines Items nicht mit denen in seiner Datenbank übereinstimmen würden. “So kann man doch nicht arbeiten”, klagt er. Auf meine die Frage, ob er denn schon mit dem Kollegen gesprochen habe, der diese Daten verantwortet, kam ein selbstverständliches “Nein”. Ungläubig und knapp vor einem Wutausbruch bringe ich diesen Vollakademiker dazu, den betreffenden Kollegen mit Doktortitel doch mal persönlich zu fragen, ob hier ein Grundsatzproblem vorliege. Wie sich herausstellt, handelt es sich um kein Grundsatzproblem.

10 Uhr: Ein Controller kommt schnell zum Punkt. Man habe ein neues, tolles Auswert-Werkzeug gesehen. Damit könne man den Kliniken in farbigen Grafiken deren Probleme verständlich vor Augen führen. Das sei zwar für das Wirtschaftsjahr nicht geplant. Weil aber die Leitung davon äußerst angetan ist, sei es doch sicher kein Problem, diese Software kurzfristig zu lizenzieren. Auf meine die Frage, ob es dafür vielleicht eine schriftliche Entscheidung der Leitung gibt, zuckt der Controller mit den Schultern. Nun erdreiste ich mich zu fragen, warum man denn dies nicht mit den in den Vorjahren investierten Tools abwickeln könne. Verärgert antwortet der Bedarfsübermittler: Wenn die IT glaubt, dem Wunsch nicht nachkommen zu können, dann müsse eben der Vorstand Prioritäten setzen. Schon war das Gespräch zu Ende.

Wenn die Chefarztsekretärin anruft

In der Hauspost finde ich zu meiner Freude mal wieder einen interessanten anonymisierten Verbesserungsvorschlag. Man möge doch einen Bildschirmschoner freigeben, der den Kollegen Gesundheitsratschlägen gebe. Ohne diese Tipps sehe sich der Vorschlagende nicht in der Lage, gymnastische Übungen zu absolvieren und effektiv vor dem Bildschirm zu arbeiten. Das alles überfällt mich, noch bevor mich ein erster Kaffee aufmuntern kann.

11 Uhr: Erst jetzt merke ich, dass meine Sekretärin erkrankt war und mir deshalb keine Wiedervorlage gezeigt wurde. So konnte ich nicht sehen, dass ich vor einer halben Stunde einen Termin beim Chef gehabt hätte.

11.30 Uhr: Eine Chefarztsekretärin beschwert sich lautstark am Telefon: “Ich habe nun zigmal vergeblich versucht, Ihren Mitarbeiter im Service zu uns zu bewegen. Wir haben einen neuen Schreibtisch bekommen, und nun müssen doch die Anschlusskabel des PCs wieder neu im Leitungsschacht des neuen Tisches verlegt werden.” Man sei Sekretärin und nicht DV-Spezialistin. Wie der DV-Kollege im Service die Frechheit besitzen könne, überhaupt die Frage zu stellen, ob es nicht schneller und kostengünstiger für das Unternehmen sei, wenn sie das schnell selbst machen könne.

IT-Abteilung für eine Installation?

Ich weise die Sekretärin auf die Regelung hin, dass solche Leistungen der sogenannte DV-Beauftragte der Organisationseinheit erledigen muss. Daraufhin antwortet sie patzig und empört, für diese Verantwortlichkeit habe sich doch ihr Chef eintragen lassen, und der werde dies ganz bestimmt nicht erledigen. Der Vertreter des DV-Beauftragten wisse gar nicht, dass er dafür benannt worden sei.

11.36 Uhr: Gerade als ich mit Kollegen zur Kantine gehen will, klingelt das Telefon nochmals. Ein Assistenzarzt erzählt, sein Klinikchef habe mit der Einkaufsabteilung ein zentrales Diktatmanagement beschafft. Die Firma sei nun hier und brauche einen DVler für die Installation.

An dieser Stelle ist es für mich zu viel. Der Assistenzarzt lässt mein Gebrüll stoisch über sich ergehen; man habe ja als Klinik nicht gewusst, dass man dazu die DV-Abteilung brauche würde. Außerdem sei die Installation ja nur eine Kleinigkeit, so die Firma. Ich solle mich nicht so aufregen, die Kollegen vom Einkauf hätten das doch wissen müssen. Zudem müsse die Installation nun erfolgen, es gebe ja schließlich einen rechtsgültigen Vertrag, und der Chefarzt habe ausrichten lassen, wenn dies nicht erledigt werde, könne er sein Patientenvolumen nicht mehr bewältigen…

An dieser Stelle hört die Aufzählung eines leidgeprüften CIOs auf. Ich bin immer noch IT-Leiter. Manchmal macht der Job auch wirklich Freude. Allerdings kann ich mich immer weniger sarkastischer Kommentare enthalten. Aber wie sonst soll man es verkraften, wenn Tausende Hobby-DVler nicht merken, dass sie doch nur Hobby-DVler sind?