In der Autoschlange

Es war am Freitag gegen drei Uhr mitten in Köln auf einer Ausfahrtstraße
in einer Autoschlange, die sich langsam vorwärts bewegt.

Ich bin nicht ganz bei der Sache – plötzlich ein Stoß –
da bin ich dem vor mir fahrenden VW aufgefahren.

Die Autoschlange steht; ich steige aus, sehe nach.
Die Stelle, wo mein und sein Wagen aufeinander stießen;
mir ist nichts passiert.

Sein Wagen hat eine kleine Beule.
Ich gehe zum Geschädigten, der dreht die Wagenscheibe runter und lächelt mich an.

Ein junger Mann um die dreißig.
Ich entschuldige mich.
Er sagt, was ist denn?

Ich sage: “Ihr Wagen hat eine Beule.”
“Macht nichts”, sagt er.
“Freuen wir uns doch, dass wir uns nicht wehgetan haben.”
“Ich schreibe Ihnen meine Adresse auf”, sage ich und krame meinen Pass heraus.

“Ich bin versichert”, sage ich.
“Steigen Sie ein”, sagt er freundlich. “Es ist doch nichts.”
Er sieht sich den Schaden nicht einmal an.
Er sieht nicht wohlhabend aus; ich bin hilflos.

“Geben Sie mir Ihre Adresse”, sage ich.
“Wozu?”, lächelt er.
“Ich möchte… – das gibt es doch nicht”, sage ich.
“Doch, doch”, sagt er.
“Steigen Sie ein.”

Die Autoschlange setzt sich wieder in Bewegung.
Hinter mir hupt schon einer,
noch einer,
noch einer.

Ich merke mir die Autonummer meines Vorfahrers.

IN – RI 33

Die Nummer kommt mir bekannt vor.
Ich überlege: “Woher kennst du die Nummer?”

IN?? – Ingolstadt

Muss wohl sein.

Ingolstadt, Ingolstadt.

Da kennst Du nur die … und die haben keinen Wagen.

Ich habe versucht, herauszubekommen, wie der Besitzer dieser Nummer heißt.
Ich bekomme Auskunft: “Diese Nummer gibt es nicht!”

Später fällt mir ein:
Diese Nummer gibt es nicht mehr.

Es gab sie einmal, diese Traumnummer:
IN – RI 33

(von: Wilhelm Willms)